Die ersten Jahre des KJR Coburg
Die amerikanische Militärregierung verbot zunächst jegliche Zusammenschlüsse. Mitglieder aus ehemaligen Jugendverbänden versuchten einen Wiederbeginn. Einige wenige konfessionelle Jugendgruppen hatten sich über die Nazizeit, beschränkt auf rein religiöse Zusammenkünfte, hinwegretten können. Aber auch diese Gruppen durften anfangs nicht wieder arbeiten.
Ein Erlaß des US-Hauptquartiers in Frankfurt vom 21. September 1945 brachte jedoch einen Kurswechsel in der Besatzungspolitik. Darin wurde die Bildung örtlicher Jugendkomitees zugelassen. Unter dem Vorsitz des Lardrates sollten nach diesem Erlaß Komitees gebildet werden, in denen die Vertreter der Besatzungsmacht sowie die in Bildung begriffenen Jugendorganisationen Aufnahme finden sollten. Den Komitees war es aufgetragen, eine Arbeitslizenz für neue Gruppen oder Organisationen zu prüfen und die Ergebnisse an die Militärregierung weiterzuleiten die dann die Genehmigung zur Lizenzausgabe aussprach.
Das Coburger Komitee nannte sich nach der Gründung des Landjugendausschusses am 24. Mai 1948 in Kreisjugendausschuß (KJA) Coburg-Land unter Vorsitz von Landrat Kaemmerer um. Von der amerikanischen Militärregierung war für den KJA Coburg der Militärposten Bamberg, Distrikt II unter Leitung des Jugendoffiziers Captain Newton mit Sitz im Hotel Reichsgraf zuständig.
Die German Youth Activities (GYA), eine von amerikanischon Angehörigen der Truppe gegründete Organisation, wurde nicht von den Jugend-Offizieren geleitet. Man versprach der Jugend ein schönes und frohes Gemeinschaftsleben und es fiel den Leuten von GYA nicht schwer, Räume für Clubs aufzutreiben und von den Bewohnern zu befreien. Die jungen Leute fanden hier Bücher und Schallplatten und eine zwanglose Unterhaltung vor. Was die deutschen Jugendgruppen nicht bieten konnten, hatte GYA. Vom Sportgerät bis zum Lkw-Ausflug wurde alles geboten. Auf die in Scharen herbeiströmende Jugend wirkte die Truppe ein. Schon bald erkannte der Kreisjugendausschuß die Gefahren, die durch die Aktivität der Amerikaner den angeschlossenen Jugendgruppen drohte. Es wurde versucht, den erzieherischen Betätigungsdrang von der ausschließlichen GYA-Arbeit auf die eigenen Verbände zu lenken, was sehr gut gelang. Das GYA-Haus in Coburg wurde dem KJA zurverantwortlichen Leitung übergeben, das gesamte hauptamtliche GYA-Personal wurde vom KJA ausgewählt und zur Dienstleistung zur Verfügung gestellt. Die vom KJA benötigten US-Fahrzeuge mit deutschen Fahrern an diesen abkommandiert. Im Coburger Land ergab sich zum Wohle der Jugend eine gute Zusammenarbeit zwischen GYA und KJA/ KJR, die vorwiegend Siegfried Möslein zu verdanken war.
Im März 1947 bestanden im Landkreis Coburg bereits 39 Gruppen mit mehr als 4000 Jugendlichen. Die Jugendgruppen ergaben sich aus den neu entstandenen Vereinen. Diese Vereine, unterteilt in gesellige Vereine, Sportvereine und kleinwirtschaftliche Vereine wurden genehmigt durch den Überprüfungsausschuß für das Vereins- und Veranstaltungswesen des Landkreises Coburg. Der aus vier Personen bestehende Ausschuß stellte in seiner Sitzung am 4.12.1947 fest: „…lm Landkreis Coburg bestehen jetzt 29 gesellige Vereine, 41 Sport vereine und 64 kleinwirtschaftliche Vereine, die auf die Ortschaften des Landkreises so verteilt sind, daß ein Bedarf an weiteren Vereinen nicht vorhanden sein dürfte. Neue Antragsteller sollen auf bereits bestehende Vereine hingewiesen werden, denen sie sich – evtl. als Untergruppe – anschließen können.“ Daß diese Feststellung dem KJR nicht gelegen kam, lag auf der Hand. So konnte man die aufstrebende Jugendarbeit auch blockieren. Gerade die Jugendgruppen konnten nur ausführen, was die amerikanische Militärregierung erlaubte. Sie legte zwar großen Wert darauf, daß etwas für die Jugend getan wurde – ihre Programme sollten jedoch eine Art Umerziehung für die Jugend herbeiführen. Den Jugendgruppen fehlte es an vielen grundlegenden Dingen und oft ging es um ganz Einfaches, wie Kleidung, Decken oder Geräte. Da war es nicht verwunderlich, daß 547 Kinder im Sommer 1947 für 14 Tage an einem Zeltlager im Thanner Grund teilnahmen. Im Vordergrund stand aber die Verpflegungsfrage. Der Niederschrift des KJA vom 16.6.1947 war zur „Kartoffelfrage“ folgendes zu entnehmen:
„Nach Rücksprache mit dem Leiter des Ernährungsamtes A steht der Zuteilung von Kartoffeln für das Zeltlager nichts mehr im Wege. Die Firmen Bräutigam, Rodach, Kobriger, Coburg und Baywa, Neuses werden den Kartoffelverbrauch des Lagers decken. Die Finanzierung des Lagers muß aus Spenden erfolgen.“ Kostenvoranschlag 13.000,- RM. Mit Befriedigung wurde vermeldet: Durchschnittliche Gewichtszunahme der Kinder: 2.400 Gramm.“
Vom 18 bis 20. April 1947 fand im Jugendherbergshaus Sudelfeld die Gründungsversammlung eines „Gesamtverbandes der Bayerischen Jugend“ statt, der sich von diesem Zeitpunkt an „Bayerischer Jugendring“ (BJR) nannte. Im Vollzug dieser Gründung des BJR wandelten sich örtliche Jugendkomitees in Stadt- und Kreisjugendringe um. In der Sitzung des Kreisjugendausschusses Coburg-Land am Freitag, den 5.12.1947 um 14.30 Uhr wurde im großen Saal des Gustav-Dietrich-Hauses Siegfried Möslein zum Vorsitzender des Kreisjugendringes gewählt. Möslein hielt eine richtungsweisende Rede und umriß die Bemühungen für die kommenden Jahre in wahrhaft prophetischer Weise. Er riß die Anwesenden temperamentvoll nach vorn zu einem Blick in die Zukunft.
Der Kreisjugendring wird selbständig
Fast ein Jahr sollte der Kreisjugendring noch unter der Dienstaufsicht des Landratsamtes stehen, bis er „mit Wirkung vom 1.12.1948 auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsausschusses des Landratsamtes Coburg vom 15.11.1948 der Kreisjugendring Coburg Land als Geschäftskreis des Landratsamtes aus dem Amtsbereich ausgeschieden und selbständig wurde. Von diesem Tag ab unterliegt der Kreisjugendring nicht mehr der Beaufsichtigung des Amtes.“
In der Verfügung des Amtes wird weiter festgestellt, „daß nach der Satzung des Bayerischen Jugendringes die Bildung von Jugendringen ohnehin Angelegenheit der Jugend selbst und weder der Beaufsichtigung noch der Beeinflussung einer öffentlichen Körperschaft zu unterstellen sind.“ Auch hat sich der Verwaltungsausschuß mit der Finanzierung des Kreisjugendringes beschäftigt.
„Da die Jugendtätigkeit mehr oder weniger ehrenamtlich und nur von Personen ausgeübt werden soll, die eine entsprechende Passion mitbringen, bleibt es trotzdem unerläßlich, in der heutigen schwierigen finanziellen Lage Zuschüsse für die Jugendarbeit zu leisten …und es bleibt noch abzuwarten, in welcher Höhe sich die monatlichen Zuschüsse belaufen werden. In erster Linie ist daran gedacht, die Zuwendungen für besondere Zwecke, wie Durchführung von Lagern, Ferienfahrten, Schulungen etc. zu benutzen. Auf keinen Fall dürfen diese Zuschüsse für Zwecke der Unterhaltung einer Geschäftsstelle, Anstellung eines Sekretärs usw. verwendet werden.“
Daß die Mittel nicht für eine Geschäftsstelle verwendet werden dürfen, lag auf der Hand – das Landratsamt erledigte weiterhin den anfallenden Schriftverkehr, um zu vermeiden, daß dem KJR erhöhte Kosten entstehen.
Arbeitsschwerpunkte in dieser Anfangs- und Gründerzeit lagen im Aufbau der Jugendgruppen und -verbände, Schulungen für Jugendleiter, Gerätebeschaffung vielfältigster Art und der Durchführung von Zeltlagern. Doch allein mit Wandern, Singen und Volkstanz kann man das Vertrauen der Jugend nicht gewinnen, kann man sie nicht begeistern. Die Jugendverbände müssen ihren Mitgliedern mehr bieten.
So kam es zur Durchführung eines Tages ,,Jugend im Amt“ am 13.02.1948. Alle Geschäftskreise des Landratsamtes wurden eingebunden und es wird von einer sehr guten Resonanz durch die Jugendverbände berichtet.
Viele Gremien haben es an sich, im Laufe der Zeit zu „überaltern“. Wahrscheinlich auch der KJR-Vorstand. In der Vollversammlung vom 1.3.1952 erhebt Schulrat Brehm Bedenken zur Zusammensetzung des Vorstandes. Er stellt fest, daß der heranwachsenden Jugend keine Gelegenheit gegeben wird, diese Stellen zu erhalten damit Auftrieb in den Kreisjugendring kommt. Das Gremium faßt darauf hin den Beschluß, sich zu vergrößern. Es entsteht eine neue Zusammensetzung des KJR:
Je ein Vertreter der im Landkreis vorhandener Jugendgruppen der Landesverbände, drei Behördenvertreter (Schulamt, Arbeitsamt, Landratsamt) und drei Vertreter der unorganisierten Jugend.
Der Haushalt des KJR belief sich 1952 bei den Ausgaben auf 1.500.-DM, die durch 5240.-DM Einnahmen und 6.260.- DM an Landkreiszuschüssen gedeckt wurden.
Die Protokolle der monatlichen Sitzungen des Vorstandes des KJR wurden im Jahr 1953 an 3 Versandadressen geschickt! Am 19. und 20.6.1954 findet in Coburg die Bezirkskonferenz der oberfränkischen KJR-Vorsitzenden statt. Siegfried Möslein (Bayer. Sportjugend) wird mit 22 Ja-Stimmen bei einer Ungültigen zum „Bezirksvertreter der oberfränkischen Kreisjugendringvorsitzenden“ erwählt. Dieses Ehrenamt hatte er bereits seit 1949 inne. Von 1955 bis 1967 war er Vorsitzender des neugegründeten Bezirksjugendringes Oberfranken und im Jubiläumsjahr des KJR ist wieder ein Coburger Landkreisbürger Vorsitzender des Bezirksjugendringes Oberfranken geworden: Martin Pietz aus Weidhausen. Auch er kommt von der bayerischer Sportjugend.
Besondere Beschlüsse des KJR
Der Vorsitzende des KJR, Pfarrer Dr. Hanselmann, mußte seinem Kollegen Pfarrer Lubkoll folgenden Beschluß des Vorstandes mitteilen: Der Vorstand des KJR hat am 12.1.1955 beschlossen, daß der von der katholischen Jugend im Vorstand nicht besetzte Platz durch einen Jugendleiter der evangelischen Jugend zu besetzen ist. (Anmerkung: Der Verfasser konnte die Reaktion der katholischen Jugend leider nicht in den Archiven finden.)
Am 26.4.1955 erhielt Pfarrer Hans-Georg Lubkoll wieder ein Schreiben des KJR – diesmal über die „Tanzlustbarkeiten in der Advents- und Passionszeit“. „… in aller Schärfe dahingehend vertreten, daß öffentliche Tanzlustbarkeiten während der Advents- und Passionszeit grundsätzlich keine Genehmigung finden. Es sollen auch keinerlei Ausnahmen zu dieser grundsätzlichen Bestimmung vorgesehen werden…“
Der KJR wird Körperschaft des öffentlichen Rechts
Mit einer Satzungsänderung, die ab 10.3.1962 in Kraft trat, bekam der Kreisjugendring den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er nannte sich nun „Bayerischer Jugendring, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Kreisjugendring Coburg-Land.“
Das Geschäftsjahr begann am 1.1. und erdete zum 31.12 Die Vorstandschaft konnte aus 11 Personen bestehen – dem/der Vorsitzendein, stv. Vors. und neun Beisitzer. Der Heimverwalter/Hausvater des Kreisjugendheimes mit bisher Sitz und Stimme in der Vorstandschaft sollte „freie Persönlichkeit“, ohne Stimmrecht, werden. Diese Änderungen führten dazu, daß bei der Vollversammlung (VV) am 14.3.1964 der einstimmige Beschluß gefaßt wurde, die Wahl der Vorstandschaft nur noch alle zwei Jahre durchzuführen und eine VV im Herbst durchzuführen.
Die Neugliederung Bayerns brachte auch für der Kreisjugendring Änderungen. Waren es in den 60er Jahren im Landkreis Coburg 129 Gemeinden, entstanden durch die Verordnung zum 1.7.1972 51 Gemeinden und ab 1.5.1978 nur noch 17 Kommunen.
Durch diese Veränderung wurde der Kreisjugendring Neustadt, wie auch der Sportkreis des Bayerischen Landes-Sportverbandes Neustadt aufgelöst und in den Kreis Coburg integriert. Die dadurch erforderliche Neugründung des Kreisjugendringes Coburg erfolgte am 4.11.1972. Der Kreisjugendring Coburg hätte also neben dem 50jährigen Gründungsjubiläum im Sommer 1997 auch sein 25jähriges „Neugründungsjubiläum“ feiern können.